Harte Diäten lassen die Kilos nachhaltiger purzeln

20.09.2013 14:09

Bislang wird beim Abnehmen eher eine Langsam-und-Bedächtig-Vorgehensweise empfohlen. Doch der langfristige Erfolg einer Diät scheint größer zu sein, wenn die Gewichtsreduktion schnell erfolgt.

Langsam und mit Bedacht – so könnte man die Ratschläge der meisten Diätberater auf einen Nenner bringen, wenn es ums Abspecken geht. So rät die Deutsche Gesellschaft für Ernährung, immer wieder etwas Bewegung in den Alltag und dafür etwas weniger Kalorien auf den Teller streuen, sich realistische Ziele zu setzen und pro Monat nur ein bis zwei Kilogramm abzunehmen.

Doch die aktuelle Studienlage zeigt in die umgekehrte Richtung. Demnach haben gerade harte Diäten die besten Aussichten auf Erfolg.

Ein internationales Forscherteam analysierte für das "New England Journal of Medicine" die wissenschaftliche Datenlage zu den herkömmlichen Diätregeln, und dabei stellte sich die Langsam-und-bedächtig-Vorgehensweise als ein zwar hartnäckiger, aber wissenschaftlich unbewiesener Mythos heraus.

Alte Formel zum Abnehmen

So gehört zu dieser Strategie der Ratschlag, dass man kleine Gewohnheiten ändern, beispielsweise häufiger die Treppe anstatt den Fahrstuhl benutzen sollte. Doch dieser Tipp geht auf eine über 50 Jahre alte Regel zurück, wonach man pro – beim Essen eingesparten oder durch Bewegung aufgewendeten – 3500 Kilokalorieren etwa 450 Gramm Gewicht verliert.

Diese Formel basiert wiederum, wie Studienleiterin Krista Casazza betont, "auf Kurzzeitexperimenten mit Männern, die auf lediglich 800 Kilokalorien pro Tag gesetzt wurden".

Solche Befunde könne man nicht auf längere Zeiträume und weniger harte Senkungen der Energiezufuhr übertragen, so die amerikanische Ernährungsmedizinerin. Hier gelte vielmehr: "Minimaler Aufwand bringt auch nur minimale Effekte."

Ambitionierte Ziele sind hilfreich

Das soll allerdings nicht heißen, dass kleine Änderungen nichts bewirken. Es müssen nur eben viele sein. Neben dem Treppensteigen sollte man also auch das Radfahren anstelle des Autofahrens einführen sowie mittags auf den süßen Nachtisch und abends auf die Chips vor dem Fernseher verzichten.

Ähnlich hartnäckig wie das Konzept der kleinen Schritte hält sich auch die These, wonach sich der Diätwillige keine utopischen Ziele setzen sollte, dass also der 110-Kilo-Mann nicht darauf hoffen sollte, binnen eines halben Jahres auf 90 Kilogramm abgespeckt zu haben.

Das klinge zwar vernünftig, weil es vor Frustrationen schützt, berichtet Casazza, "doch die empirische Datenlage zeigt, dass man mit ambitionierten Diätzielen besser abnehmen kann".

Disziplin ist eine wichtige Voraussetzung

Bestätigt wird diese Einschätzung durch eine aktuelle Studie unter Emely de Vet von der Utrecht University. Die holländischen Psychologen erfassten hier per Fragebogen die Erwartungen und Diätanstrengungen von 447 übergewichtigen Männern und Frauen.

Dabei setzten sich über 60 Prozent der Probanden für das erste Diätjahr einen Zielwert, der über den fünf bis zehn Kilo Gewichtsverlust lag, die normalerweise von Ernährungsberatern empfohlen werden.

Diese ehrgeizigen Teilnehmer stellten sich aber auch in ihren Abspeckbemühungen als besonders diszipliniert heraus. Was zwar nicht zwangsläufig dazu führte, dass sie ihre hohen Ziele auch tatsächlich erreichten. Aber Disziplin bietet in jedem Falle beste Voraussetzungen dafür, ein Diätprogramm wirklich durchzuziehen.

Laxe Ziel verführen zu Nachlässigkeiten

Umgekehrt führen lasche Diätziele oft genau zum Gegenteil. Denn wer sich vornimmt, im ersten Jahr nur fünf von seinen 100 Kilogramm zu verlieren, wird in bestimmten Situationen wie einer Einladung zum Essen oder auch einer verführerischen Auslage beim Bäcker eher gnädig mit sich sein, nach dem Motto: "Ist ja nicht so schlimm, die paar Kilo werde ich schon noch irgendwie schaffen."

Doch am Ende, nach wiederholten Nachlässigkeiten, wird er höchstwahrscheinlich nur die Feststellung machen, dass der Zeiger auf der Waage immer noch an der gleichen Stelle verharrt.

Dieses enttäuschende Ergebnis droht auch, wenn sich in den ersten Wochen einer Diät nur moderate Gewichtsverluste zeigen. Dabei gilt dieser "Slow-Weight-Loss-Effect" eigentlich als Voraussetzung dafür, dass eine Gewichtsreduktion stabil bleibt und sich nicht sofort wieder zugunsten des berüchtigten Jo-Jo-Effekts zurückbildet.

Klingt logisch – muss aber nicht stimmen

Der Gedanke dahinter: Körper und Hirn sollen Zeit bekommen, sich an die Gewichtsreduktion zu gewöhnen, denn dann steuern sie weniger, beispielsweise mit Heißhungerattacken und einer Verlangsamung des Stoffwechsels, dagegen. Auch das klingt logisch – ist aber wohl, wie Lisa Nackers und ihr Forscherteam von der University of Florida ermittelten, ebenfalls ein Trugschluss.

Die amerikanischen Wissenschaftler analysierten das Datenmaterial von 262 übergewichtigen Frauen, die an der sogenannten Tour-Studie zur Behandlung von Fettleibigkeit in ländlichen Gebieten ("Treatment of Obesity in Underserved Rural settings") teilnahmen.

In diesem Programm wurden die Frauen intensiv dabei unterstützt, weniger zu essen und sich mehr zu bewegen – mit dem durchaus ambitionierten Ziel, pro Woche 0,45 Kilogramm abzuspecken.

Zügiges Abnehmen bringt mehr Erfolg

Probandinnen, die im ersten Monat mehr als 680 Gramm pro Woche verloren hatten, erreichten nach anderthalb Jahren fünf Mal häufiger das Ziel von zehn Prozent Gewichtsverlust als ihre Diätkolleginnen, die anfangs weniger als 230 Gramm wöchentlich abgenommen hatten.

Für Nackers steht daher fest, dass anfänglich zügiges Abnehmen "zu einem größeren Gewichtsverlust und insgesamt zu einem langfristigen Erfolg bei der Gewichtskontrolle führt".

Besser also, die Kilos purzeln direkt von Anfang an munter drauflos, denn dann kommen sie auch nicht so schnell wieder. Die Ursache dafür ist vor allem psychologischer Natur: Je größer die Anfangserfolge, umso größer die Motivation für die Zukunft.

Am Ende ist es eine Sache der Psychologie

Wer schon bald nach dem Diätstart sieht, wie sich der Waagenzeiger versöhnlich nach links verschiebt, wertet dies als positiven Fingerzeig für ein Fortsetzen der Abspeckmühen, während ein langsamer Gewichtsverlust eher den Zweifel nährt.

Insgesamt zeigen die Studien der jüngeren Zeit, dass der langfristige Erfolg einer Diät weniger vom Tellerinhalt abhängt als von der Einstellung desjenigen, der ihn leert. Es kommt weniger darauf an, wie komplex die Kohlehydrate und wie hoch die Eiweiß- und Fettanteile der Nahrung sind, als darauf, wie ambitioniert, motiviert und diszipliniert man sein Abspeckprogramm vorantreibt.

"Die psychischen Theorien und Erfolgsmodelle", erklärt Emely de Vet, "gelten auch für eine Diät." Wer abnehmen will, muss eben dabei wie für viele andere Bereiche des Lebens bedenken: Es ist nicht zuletzt der Wille, der die Berge versetzt.